
Hardangervidda Tour 2019 (6. – 14. Juli)
Hardangervidda-Tour 2019 (6.7. – 14.7.2019)
Bergen – Kinsarvik – Stavali – Hadlaskard – Sandhaug – Rauhelleren – (Heinseter) Tuva – (Hakkesetstølen) Geilo – Oslo
2018 war ich nicht in der Vidda. Stattdessen war ich mich Sascha Krüger (www.krueger-hof.de) in der Eifel unterwegs. Dieses Jahr war es dann endlich wieder so weit. Am 6.7.2019 flog ich von Amsterdam nach Bergen.
Aus meinem Tagebuch (6.7.2019):
An einem Tag von Kevelaer nach Kinsarvik. 4 Uhr, Papa holt mich ab. Viel zu früh sind wir um 6 Uhr am Flughafen Schiphol/Amsterdam. Der Abflug ist um 8:25 Uhr, die Landung für 10:10 Uhr geplant.
Weiter geht es mit der Trikk nach Bergen. Der Bus Richtung Kinsarvik fährt erst um 13:25 Uhr. Ich habe etwas Zeit und gehe in die Stadt und schau mir den bekannten Fischmarkt und die Bryggen nochmal an. Ich schaue auch hoch auf den Ulriken, wo wir seinerzeit auch mit Carina & Michael bei unserem gemeinsamen Wohnmobilurlaub in Norwegen waren.
Dann noch einen Pølser und zurück zum Busbahnhof. Es ist inzwischen sehr sonnig.
Während der Fahrt entlang des Hardangerfjords schlafe ich immer wieder ein. Die letzten Tage und Wochen waren unentspannt. Dieser Urlaub dient also mal wieder dazu, den Kopf frei zu bekommen und aufzutanken und sich Gedanken zu machen, wo die „Reise“ hingehen soll. Noch bin ich aber zu aufgeregt, weil ich den Bus noch zweimal wechseln muss, um heute bis Kinsarvik gelangen zu können.
Alles läuft jedoch wie geschmiert und um ca. 17 Uhr komme ich in Kinsarvik an. Ich laufe am Campingplatz vorbei zum Hardangerparken und beziehe meine gebuchten 7 qm.
Die Sonne scheint immer noch traumhaft und spiegelt sich im Fjord. Postkartenidylle. Ich gehe schnell noch zum Spar-Markt und kaufe Bananen für meinen Tour-Start morgen.
Dann gönne ich mir in einem Straßencafe mit Blick auf den Fähranleger in der Sonne noch einen Teller Spaghetti und ein Bier. Ich versuche abzuschalten und mal nicht an das zu denken, was mich die letzten Wochen so bewegt hat. Es gelingt noch nicht. Mein Brustkorb ist immer noch wie zugeschnürt. Hoffentlich platzt er morgen vor Anstrengung auf dem Weg die 1.000 Höhenmeter hoch in die Vidda zur Hütte Stavali. Ich gehe duschen und fange an, das Buch zu lesen, was Melanie mir mitgegeben hat, „The Big Five for Life“. Nach 8 Kapiteln werde ich müde und gehe schlafen; mir fehlen einige Stunden Schlaf.
Aus meinem Tagebuch (7.7.2019):
Ich habe schlecht geschlafen, fühle mich aber gleichwohl fit und freue mich, bis ich aus dem Fenster schaue. Starker Nebel und noch stärkerer Regen, aber was solls. Ich gehe um 7:30 Uhr los.
Eigentlich wollte ich noch kurz in die Kirche, diese ist aber verschlossen. So gehe ich in Richtung Brücke und muss erst einmal ein paar Meter über Asphalt hinter mich bringen, bis ich den Einstieg in die Hardangervidda finde.
Ich komme an ein Wasserkraftwerk. An einem der dicken Rohre führt der Weg entlang und wird langsam steiler.
Es regnet ordentlich, und schon bald kommt mir ein deutscher Wanderer entgegen, eingepackt in ein „Ganzkörperkondom“, mit Stöcken und Wanderschuhen, an denen sich die Sohlen gelöst haben. Diese werden nur noch durch die letzten Fetzen Panzerband gehalten. Er erzählt mir, dass er seine Tour von Haukeliseter nach Finse wegen der Schuhe abbrechen musste, und deshalb nach Kinsarvik runter geht.
Der Weg wird anstrengender. Es geht steil hoch, an tosenden Wasserfällen vorbei.
Der Regen hat etwas nachgelassen, aber es wird immer nebeliger. Irgendwann, nachdem ich die Baumgrenze hinter mir gelassen habe, wird es richtig schwer sich zu orientieren. Auf die Karte schauen nutzt nichts. Die ist schon durchnässt und bei dem Nebel kann man sich auch mit der Karte nicht orientieren. Sorgenvoll schaue ich von einer Wegmarkierung zur nächsten, sehe diese aber kaum, weil die Sicht teilweise nur noch wenige Meter beträgt. Außerdem wird es wegen der Nässe zunehmend gefährlich. Auf den nassen mosigen Felsen rutsche ich regelmäßig aus und wieder zurück.
Ein Engländer kommt mir von oben entgegen und erzählt mir, dass es so noch ein ganzes Stück weiter gehen wird. Ich solle vorsichtig sein. Dass tue ich auch und lasse mir Zeit. Zum Glück hat der Regen aufgehört, aber der Nebel bleibt noch, bis ich endlich das Grøndalen erreiche. Hier lichtet sich der Nebel.
Mir kommen einige Wanderer entgegen, teilweise auch Familien, die das Wochenende auf der Hütte Stavali verbracht haben. Langsam muss ich was essen und hole mir eine Banane aus dem Rucksack. Ich schaue auf die Karte. Weit kann es nicht mehr sein. Bis ich Stavali endlich sehe, zieht sich der Weg aber noch ein wenig.
Dann aber kommt die Hütte in der Ferne in Sicht und erreiche ich die Hütte, als die Sonne dabei ist, sich durch die Wolken zu kämpfen.
Die Hüttenwirtin kommt raus und erzählt mir, dass sie gerade Essen für die Familie zubereitet. Ich sage ihr, dass ich viel Zeit habe und sie erst in Ruhe zu ende kochen könne. Als sie fertig ist, weist sie mir ein Bett in Raum Nr. 7 zu und fragt, ob ich zum Abendessen Rømmegrøt haben möchte. Ich sage zu und beziehe mein Bett. Ich bringe meine Sachen in den Trockenraum und wasche mich. Duschen gibt es hier nicht.
Draußen scheint inzwischen die Sonne und ich setze mich mit einem Tee in die Sonne. Ich unterhalte mich noch mit einer Norwegerin, die als erste kurz vor mir angekommen war. Ein weiteres Pärchen trudelt ein und, weil es hier keinen Handyempfang mehr gibt, setze ich über meinen Sattelitensender ein Signal an Melanie ab, dass ich mein Ziel für heute erreicht habe.
Stavali liegt übrigens auf 1.024 m, die es heute zu überwinden galt. Meine Beine haben sehr gut mitgemacht und ich habe ca. 7 Stunden gebraucht.
Inzwischen regnet es wieder und ich sitze im gemütlichen Wohnzimmer und lese. Schließlich gibt es Abendessen („middag“). Ich bin sofort satt und müde. Ich habe ein wenig Sorge, dass ich krank werde, oder bin ich doch nur erschöpft? Ich werde wohl früh schlafen gehen.
Es war noch ein Pärchen aus Oslo da. Sie saßen am Ofen und stellten sich Fragen aus einem Buch über Hütten in Norwegen und über Geographisches in der Welt. Ich fragte, ob ich mich zu Ihnen an den Ofen setzen dürfe, weil ich kalte Füße habe. Ich setzte mich hinzu und als sie ihre Fragerunde beendet hatten, sagte ich, dass ich auch noch eine Frage hätte. Sie wurden sehr aufmerksam und ich fragte, auf welcher Hütte in der Nordmarka von Oslo man die beste Hühnersuppe bekomme. Sie wussten es nicht und ich sagte, dass es meiner Ansicht nach die Hütte Skjennungsstua (www.skjennungstua.no) sei und empfahl ihnen, dort einmal hinzugehen, was sie demnächst auch unbedingt machen wollen.
Draußen hat sich der Nebel wieder breit gemacht. Bin gespannt, wie es morgen sein wird. Es stehen mindestens 7 Stunden Wanderung nach Hadlaskard an.
Aus meinem Tagebuch (8.7.2019):
Gestern, kurz vor halb Zehn, kamen doch noch drei Personen an. Ein älteres Ehepaar mit ihrem Sohn, etwas jünger als ich, der an Torett leidet. Alle 15 Sekunden stieß dieser einen lauten Schrei aus, so dass ich das zu Bett gehen verschob und mir doch eine Dose Bier bei der Hüttenwirtin kaufte. Bei dem „Geschrei“ war nicht an Schlafen zu denken, denn der Sohn lag im Zimmer neben mir. Am nächsten morgen war ich auch dank meines „Nachbarn“ früh wach und war um 7 Uhr in der Küche, um mir heißes Wasser für meine Thermoskanne zu kochen. Um 7:45 Uhr ging ich los.
Obwohl die Hüttenwirtin mir die südliche Route nach Hadlaskard über Peisabotn empfohlen hatte, welche schöner sein soll, aber auch eine Stunde länger, ging ich die etwas kürzere nördliche Route über Finnabu, was ich auch nicht bereut habe. So hatte ich wenigstens auch noch Zeit, ausgiebige Pausen zu machen, was ich auch zweimal tat, als die Sonne so richtig rauskam.
Ich kam ganz gut in die Gänge, auch weil es zu Anfang wenig auf und ab ging. Plötzlich schreckte ein Vogel neben dem Weg auf und gab seine Brut frei.
Diesmal kamen mir wenig Wanderer entgegen. Nur zwei Ehepaare. Mein Zeh fing an zu schmerzen. Dies tat er auch schon in der Nacht und ich nahm eine Diclo, um morgens auch in den Wanderschuh zu kommen. Die Wirkung ließ aber nach und ich musste noch ein Zäpfchen nehmen. Danach ging es besser und ich kam an einen Fluß, durch den man laufen musste. Dass war, weil er relativ wenig Wasser führte, aber kein Problem.
Nach der Flussdurchquerung machte ich eine Pause und genoss meinen Tee in der Sonne.
Schließlich ging es noch ca. 300m steil bergab, runter zur Hütte Hadlaskard. Die Hütte war bereits gut besucht, hauptsächlich Norweger.
Nachdem ich im vorbeirauschenden Fluss ein Bad genommen hatte, machte ich mir Spaghetti aus der Dose, die nun in der Speisekammer angeboten werden, und machte anschließend den Abwasch. Danach konnte ich herrlich draußen in der Sonne sitzen und ich holte mir schließlich meine Dose Bier aus dem Rucksack, die ich von Kinsarvik mitgenommen hatte. Hoffentlich wird es morgen auch nochmal so sonnig.
Aus meinem Tagebuch (9.7.2019):
Es wurde noch richtig voll in der Hütte. Glaube nicht, dass noch ein Schlafplatz frei war. Ich schlief gleichwohl sehr gut und ging um 7 Uhr zum Fluß, um mich zu waschen und die Zähne zu putzen. Ich kochte mir einen Tee und war gegen 8 Uhr startklar. Die ältere Dame, welche die Hütte bewirtschaftet, sprach nicht so gut englisch und hatte auch Verständigungsprobleme mit den deutschen Gästen. Ich half als Übersetzer, wofür sie sich bei mir bei meiner Abreise sehr bedankte.
Nach wenigen Schritten merkte ich, dass ich mir die Innenseiten der Fersen etwas Wund gelaufen hatte. Ich machte Pause, um meine Fersen durch Pflaster zu schonen. Die ersten Meter ging es gut bergauf. Dann aber öffnete sich die Hochebene und man konnte kilometerweit schauen. Diese Weite kannte ich so von der Hardangervidda noch nicht, war ich doch bisher nur im etwas „bergigen“ Westteil unterwegs. Diese Weite gefiel mir sehr gut und ich war dank der Blase die sich langsam bildete nicht undankbar, heute statt Höhenmeter nur Weitenmeter machen zu müssen.
Immer wieder kamen mir Pärchen entgegen und ich wünschte mir, eine solche Tour bald auch einmal mit Melanie machen zu können. Ich machte Pause, weil mein Zeh wieder anfing zu schmerzen und die nächste Diclo war fällig. Ich weiß, dass das Zeug nicht gerade gesund ist, aber ohne Diclo und Blasenpflaster wäre heute an Wandern nicht zu denken gewesen. Schließlich hatte ich ja auch einen Zeitplan einzuhalten. Jetzt kam ich aber richtig in Tritt und genoss die Weite und Ruhe. Die Mücken, die mich hin und wieder attackierten, störten mich nicht.
Schließlich konnte man in der Ferne schon die Hütte Sandhaug erkennen. Es sollte aber noch drei Stunden Fußweg dauern, bis ich sie endlich erreichte.
Sandhaug ist eine große Hütte mit Bewirtschaftung, wohl auch, weil man sie von Trondsbu aus, wo man in der Nähe sein Auto abstellen kann, in einer Tagestour leicht erreichen kann. Ich checkte ein und wählte ein Bett in einem Schlafraum für vier Personen und meldete mich zum Abendessen „middag“ an.
Draussen setzte ich über meinen Sender die übliche Nachricht ab, damit alle wissen, dass es mir gut geht. Die Sonne kam raus und ich setzte mich auf die andere Seite der Hütte mit Blick auf den See. So taten es auch zwei andere Norweger. Wir saßen schweigend dort und ich schrieb in mein Tagebuch. Um die Stille zu brechen sagte ich zu dem Jüngeren von beiden, „så er det fint, ikke sant?“ Jetzt redeten beide los und es entwickelte sich ein tolles Gespräch. Die beiden Norweger waren jeder für sich mit Kanu und Angel mehrere Tage alleine unterwegs gewesen und froh, wieder unter Menschen zu sein. Auch ich berichtete von meiner bisherigen Tour und beide dachten, ich würde in Norwegen leben, weil ich mich so gut verständlich machen konnte. Schwubs war die zweite Dose Bier leer.
Es ist windstille und die Mücken werden etwas lästig. Noch ca. 1 Stunde bis zum Abendessen. Ich weiß noch nicht, was es zu essen geben wird. Morgen steht die wohl längste Etappe nach Rauhelleren an. Sie ist laut Karte mit 8 Stunden veranschlagt. Rauhelleren soll aber ein sehr lohnenswertes Ziel sein. Sicher werde ich wieder um 8 Uhr aufbrechen. Es fängt an zu regnen, schnell ein.
Aus meinem Tagebuch (10.7.2019):
Ich hatte darauf verzichtet, mit den anderen Norwegern noch ein Bier zu trinken und war um 10 Uhr im Bett. Die Nacht war ruhig. Ich blieb alleine auf meinem Vierer-Zimmer. Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass es in Sandhaug auch eine Dusche gibt. Das war natürlich fantastisch. Das Abendessen verspätete sich etwas und ging erst um 19:30 Uhr los, vermutlich, weil die Hütte gut besucht war. Endlich ging die Tür zum Speiseraum auf. Ich saß in der ersten Bankreihe zuerst ziemlich alleine am Rand. Wen wundert es, mich kennt ja auch keiner und die meisten anderen waren als Paar oder Familie etc. unterwegs und der Norweger ist ja nicht unbedingt für seine Offenheit bekannt (Ausnahmen bestätigen die Regel!). Etwas verspätet kamen jedoch zwei Damen hinzu und setzten sich zu mir. Die eine von ihnen war sehr redselig. Schnell waren wir im Gespräch und sie schilderte, wie „sliten“ sie von der heutigen Tour sei, weil sie lange nicht im „Fjell“ unterwegs gewesen war. Ihre Hacke würde schmerzen und sie fragte, ob ein Arzt zugegen sei, da sie ein schmerzlinderndes und entzündungshemmendes Medikament brauche. Ich bot ihr meine Diclos an. Sie war sehr interessiert, wollte aber erst den Beipackzettel studieren, weil sie Asthma habe und nicht von der Luftambulanse abgeholt werden wolle. Ob sie sie verwendet hat, weiß ich nicht. Vor allen anderen war ich um 7:30 Uhr bei wolkenlosem Himmel startklar. Ich klebte mir noch ein Blasenpflaster auf die rechte Hacke und ohne Diclo ging es los. Dafür hatte ich, wie auch schon morgens im Bett, des Öfteren ein Stechen dort, wo ich den Blinddarm vermute. Ich hoffe, ich komme ohne eine Blinddarmentzündung durch. Das wäre hier jetzt keine gute Zeit für so etwas.
Die Landschaft ist traumhaft. Mein bislang liebster Tourabschnitt. Nach zwei Stunden öffnet sich die Landschaft und gibt den Blick auf den schneebedeckten Hardangerjøkulen frei. Ich mache mein Handy, welches ich, um Strom zu sparen, immer wieder ausschalte, an, um Photos zu machen. Plötzlich habe ich unerwartet Empfang und es rasseln die Whats Apps der letzten Tage rein. Ich lese sie nicht. Schnell aber sende ich Melanie und der Familie ein Photo und eine Nachricht, dass es mir gut geht.
Wenig später laufe ich auf einen kleinen See zu und höre einen Hund bellen. Ich schaue genauer hin und sehe eine Frau splitterfasernackt durch den See laufen. Sie genießt vor ihrem Zelt die Morgensonne. Als der Hund bellt wird auch sie auf mich aufmerksam und eilt zu ihrem Handtuch. Mir ist die Situation etwas peinlich und ich gehe mit etwas Abstand vorbei.
Die nächsten Kilometer sind traumhaft. Ich genieße den Blick zurück auf den Hårteigen und nach vorne in Richtung Hardangerjøkulen. Immer wieder mache ich kurz halt und schalte mein Handy an um Photos zu machen.
Wie schon in Richtung Sandhaug, kann man auch Rauhelleren schon von weitem erkennen. In beiden Fällen sind es aber ab dort noch mindestens drei Stunden Fußweg. Mir kommen zwei norwegische Pärchen und schließlich eine Vierer-Gruppe Deutsche, die mit dem Zelt unterwegs sind, entgegen. Ich rede mit allen kurz, wie weit es noch ist usw.. Die Strecke zieht sich schließlich etwas und in den teilweise sumpfigen Abschnitten sind die Mücken bei dieser Windstille etwas lästig.
Die Sonne scheint schon den ganzen Tag. Traumhaftes Wanderwetter, weil das Thermometer in dieser Höhe zwischen 1.100m und 1.300m nicht über 20 Grad steigt. Schließlich, um 15:15 Uhr, erreiche ich Rauhelleren und bekomme auf der ausgebuchten Hütte noch ein Bett im Schlafsaal. Ich melde mich wieder zum „middag“ an, gehe duschen und hole mir eine Dose „Øl“. Ich mache alle Pflaster ab und hole den Hirschtalg raus, um meine Füße einzucremen. Die rechte Hacke hat sehr gelitten und ist großflächig offen. Am linken Fuß stört nur eine kleine Blase am kleinen Zeh. Ich bin trotzdem sicher, dass die morgigen 26 km über Heinseter nach Tuva kein Problem werden. Die Strecke ist wieder mit 7 Stunden veranschlagt, aber wieder recht flach, so dass ich es schaffen sollte, bevor es danach auf die letzte Etappe nach Geilo geht.
Die Hütte ist wieder voll. Die norwegischen Sommerferien haben ja auch schon begonnen und viele Familien gehen mit ihren Kindern und Opa und Oma von Hütte zu Hütte, um ihnen das „Friluftsliv“ einzuimpfen. Bin gespannt, ob ich gleich wieder alleine sitze oder Gesellschaft finde. Deutsche scheinen nicht hier zu sein.
Gerade kommt eine Dreier-Gruppe, Sohn, Mutter und Opa an, die schon mit mir auf Hadlaskard und Sandhaug waren. Der Sohn hatte sich diese Tour mit seinem Opa wohl zur Konfirmation gewünscht. Sie reisen mir quasi nach und kommen immer ein paar Stunden später an, weil ich stets früh ohne Frühstück aufbreche.
Aus meinen Tagebuch (11.7.2019):
Gestern Abend beim Abendessen hatte ich das Glück, mit zwei älteren Ehepaaren an einem Tisch zu sitzen. Schnell kam ich mit ihnen ins Gespräch. Es war wirklich nett und wir saßen auch nach dem Essen, es gab Lamm-Frikassee, zusammen. Als alle ins Bett gingen, genoss ich draußen auf der Bank noch die Abendsonne. Die Landschaft gegenüber dem See strahlte wie der „Rosengarten“. Plötzlich kam ich noch mit einer Norwegerin ins Gespräch. Es macht inzwischen echt Spaß, sich so ohne Hemmungen und Verständigungsproblemen über alles mögliche unterhalten zu können, ohne dass die Norweger sofort ins englische wechseln. Sie empfahl mir, dass nächste Mal eine Tour nach Trollheimen (nördlich des Dovrefjells) zu machen. Dann ging ich in den voll besetzten Schlafsaal. Natürlich musste ich wegen der Bierchen nachts aufs Plumpsklo. Ich schätze, es war so gegen 2 oder 3 Uhr. Draußen war es alles andere als dunkel und man hätte sofort loswandern können.
Alle waren früh wach, so dass ich auch um 7:30 Uhr losmarschierte. Die „Schmerzen“ an der offenen Hacke lief ich einfach weg und war glücklich, wieder einen Sonnentag erwischt zu haben.
Nach ca. 4 1/2 Stunden hatte ich Heinseter erreicht. Kurz vorher hatte ich plötzlich, als ich Pause machte und die Aussicht genoss, Empfang. Ich rief Melanie an. Um mich aber nicht aus der Urlaubsstimmung zu reißen, bestätigten wir uns beide nur, dass bis auf den täglichen Wahnsinn alles ok sei. Während unseres Telefonats rief mich plötzlich die Schule meiner Tochter Lisann an. Ich drückte dieses Telefonat weg und Melanie sagte, dass sie dort gleich zurückrufen werde. Vermutlich habe Lisann Bauchschmerzen, sagte sie. Danach war der Empfang weg.
(Später sollte sich herausstellen, dass Lisann vom Klettergerüst gefallen war und mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht wurde. Sie hat an der Wirbelsäule Kompressionsbrüche an 8 Wirbeln erlitten. Heute geht es ihr aber schon wieder gut)
Auf der Hütte Heinseter machte die Sonne eine Pause und ich tankte nur kurz an der Powerbank mein Handy auf.
Hinter der Brücke bei Heinseter folgte ein schrecklicher Anstieg. Überhaupt empfand ich ab jetzt den Weg nach Tuva, für den ich nochmal 4 Stunden benötigte, nach den ganzen Tagen unglaublich zäh und kräfteraubend.
Endlich in Tuva angekommen, hatte ich wieder rund 30 km gelaufen. Jetzt war auch die linke Hacke durch.
Tuva ist eine Privathütte. Ich meldete mich zum Abendessen an und ging duschen. Ich bekam in der gemütliche Hütte ein Bett im Vierer-Zimmer Nr. 3.
Ich bin doch ein wenig froh, wenn ich morgen in Geilo ankomme. 6 Tage am Stück mit durchschnittlich über 20 km sind schön, aber auch anstrengend. Jetzt erst einmal ein Bierchen!
Aus meinem Tagebuch (12.7.2019):
Zum Abendessen kam ich neben zwei jungen Norwegern aus Bergen zu sitzen. Der Dialekt des einen war schwer verständlich. Der andere interessierte sich sehr für meine Tour und wir unterhielten uns nett. Der Rest des Abends war eher langweilig, weil die, die da waren, wenig kommunikativ oder mit sich selbst beschäftigt waren. Ich genoss die Abendsonne und ging gegen 10 Uhr schlafen.
Morgens habe ich Kopfschmerzen. Wohl eher von der schlechten Luft im Schlafraum, weil die Fenster wegen der Mücken geschlossen blieben. Ich setze mich deshalb schon vor 7 Uhr in die Morgensonne und genieße die Aussicht, bis auch das junge Pärchen, welches mit mir im Zimmer war, endlich kurz vor 8 Uhr aufsteht. Ich wollte wie immer kein Frühstück und machte mich nun fertig. Gegen 8:15 Uhr ging ich los.
Als ich den Hügel hinterm Hof erklommen hatte, hatte ich wieder Empfang und Whats Apps gingen wieder ein, auch eine Sprachnachricht von Melanie. Jetzt erfuhr ich von dem, was Lisann passiert war. Zu diesem Zeitpunkt hieß es noch, dass zwei Brustwirbel gebrochen sein könnten, was sich aber am Abend nicht bestätigen sollte. Melanie beruhigte mich, dass ich mir keine Sorgen machen müsse und alles gut werde. Sie müsse jetzt mit Lisann zum MRT nach Kleve. Prima, so wünscht man sich seinen Urlaub!
Bei herrlichem Sonnenschein ging es also weiter am Ustetind vorbei mit Blick zurück auf den Hardangerjøkulen und den Hallingskarvet-Nationalpark.
Hatte ich gedacht, die letzte Etappe nach Geilo sei schnell erledigt und nur ein Spaziergang, im wesentlichen bergab, so wurde ich doch „enttäuscht“. Nach bereits über 100km in den Knochen sollte diese Etappe doch anstrengend werden. Ununterbrochen ging es auf dem Weg nach Hakkesetstølen hoch und runter.
Obwohl die Hütte nur noch 4 km entfernt sein sollte, kam und kam diese nicht in Sicht. Nach gefühlt zwei Stunden erreiche ich sie dann doch endlich. Ziemlich erschöpft hole ich mir erst einmal eine gulrotsuppe und eine Cola.
Danach ging es weiter über eine Loipe in Richtung Geilo. Nie hätte ich in diesem Moment, nahe der Stadt, damit gerechnet, dass sich plötzlich nur wenige Meter neben mir, max. 20 m, eine riesige Elchkuh mit ihrem Kalb erhebt und ins Unterholz flüchtet. Ich war echt geschockt, als ich das riesige Tier sich aufrichten sah.
Endlich komme ich in Geilo an und lauf die Hauptstraße Nr. 40 Richtung City und danach nochmal 30 min raus aus der Stadt bis zum Vandrerhjem. Ich beziehe meine Stube und gehe erst einmal duschen. Da ich den Weg nach Geilo nicht zurücklaufen möchte, schaue ich auf der gegenüberliegenden Seite, ob nicht ein Bus fährt. Ich habe Glück und nach 15 min sitze ich im Bus Richtung Bahnhof.
Am Bahnhof kaufe ich mir schon einmal ein Ticket für morgen und gehe ins nahe gelegene Kro und gönne mir einen Burger mit Pommes. Danach setze ich mich in eine Bar. Auf der Terrasse genieße ich die Sonne und ein Bier. Danach kaufe ich mir noch etwas und gehe zurück zum Vandrerhjem.
In der Hütte, in der ich mein Zimmer habe, sitzen bereits 5 Personen im Wohnzimmer. Zwei Pärchen aus Deutschland und den USA die sich kennen und gemeinsam unterwegs sind, sowie eine Dänin, die ein wenig deutsch spricht. Ich stelle mich kurz vor, gehe dann aber lieber auf die Terrasse, esse ein paar Nüsse, trinke ein Bier und schreibe in mein Tagebuch. Morgen werde ich gegen 8:30 Uhr frühstücken und gemütlich zum Bahnhof laufen; es fährt nämlich kein Bus.
Aus meinem Tagebuch (13.7.2019):
Ich werde wach und befürchte, verschlafen zu haben. Obwohl es so hell ist, ist es aber erst 4:30 Uhr und ich lege mich wieder hin. Irgendwann ist so viel Unruhe im Haus, dass ich auch aufstehe und früher zum Haupthaus zum Frühstück gehe. Um 8:30 Uhr mache ich mich dann schon auf den Weg zum Bahnhof. Kurz bevor ich dort ankomme, unterrichtet Melanie mich noch von Lisanns Gesundheitszustand. Sie hat wohl unglaubliches Glück gehabt, auch aufgrund ihrer guten körperlichen Verfassung. Sie muss jetzt aber ein Korsett tragen und sich ein paar Wochen ruhig verhalten. Wie soll das gehen?
Bis der Zug abfährt sind es noch zwei Stunden und ich lege mich am Marktplatz auf eine Bank und döse ein wenig in der Sonne. Schließlich gehe ich um 10:30 Uhr zum Bahnsteig. Dort sehe ich auf einem Bildschirm, dass der Zug heute nur bis Hønefoss fahren soll. Und dann?
Nicht mehr auf der Hochebene zeigt das Thermometer nun 30 Grad. Auch der Schaffner ist nicht wirklich im Bilde und teilt schließlich mit, dass der Zug doch bis Drammen fährt. Dort stünden Ersatzbusse bereit.
In Drammen steigen also hunderte Fahrgäste mit ihrem Gepäck aus und nur ein Bus steht bereit. Das Management von „Vy“, wie die norwegische Bahn nun heißt, ist gelinde gesagt katastrophal. Erst nach und nach rollen weitere Busse an und mir gelingt es schließlich, in den 5 oder 6 Bus einzusteigen.
In Oslo angekommen laufe ich über die Karl-Johanns-Gate in Richtung cochs. Auf der Einkaufsmeile kann ich keinen Schritt machen wie ich will, so voll ist es bei über 30 Grad. Wie schön war es doch in der Vidda! Ich checke im cochs ein und laufe durch die Stadt, weil ich den Kindern noch etwas mitbringen möchte. Ich finde aber nichts passendes und gehe schließlich etwas entnervt zum Vippetangen und trinke mir ein Bier und telefoniere mit Melanie. Rund um den Hafen ist bei diesem Wetter die Hölle los und ich gehe schließlich zurück und in meine alte Lieblingsbar „Tullins“, wo ich schon 2001 während meiner Zeit als Referendar in der Handelskammer regelmäßig Gast war, weil ich in der Nähe, im Parkveien 4, gewohnt habe.
Den letzten Tag verbringe ich in Oslo. Auf der Festung Akershus, von der man einen tollen Blick über Oslo hat, lese ich ein wenig.
Später laufe ich noch zum ehemaligen Containerhafengelände Sørenga, der in ein völlig neues Stadtviertel am Oslofjord umgewandelt und in den Fjord hineingebaut wurde.
Blick auf die Barcodezeile und das neue Munch-Museum, welches bald eröffnet wird.
Ein letztes Bierchen am Flughafen Gardermoen. Hoffentlich bin ich bald zurück!
4 Kommentare
André Corterier
geile Idee eigentlich – ich mach‘ aber zu dem Zeitpunkt einen bereits gebuchten Road Trip mit der Familie an die Costa Brava.
Vielleicht nächstes Mal?
Viel Spass dabei!
André
Lasso
Hallo André, danke für deine Rückmeldung. Mein Tourbericht 2019 ist jetzt auch fertig. Liege Grüße!
Axel
Lieber Andreas, wieder eine beeindruckende Tour. Ich mag dabei jedoch gar nicht an deine Fersen denken. Dieses Problem einfach weg zu laufen, dazu gehört schon viel Willen und sicher auch eine meditative Fähigkeiten. Ich frage mich jedoch, od die Fussbelastung so groß war, weil du den Rucksack voll Bier hattest.
……..und nun das wichtigste. Alles Gute für Lisann.
Lasso
Lieber Axel, ich hatte tatsächlich nur eine Dose Bier im Rucksack (der so ca. 16kg gewogen hat!), die ich nach zwei Tagen geleert habe. Zu dieser Jahreszeit hat man auf dieser Route das Glück, an größeren bewirtschafteten Hütten vorbeizukommen, wo es auch Bier gibt. Aber zu anderen Jahreszeiten und auf kleineren Hütten muss man dann schon ohne auskommen können! Lisann geht es wieder gut. Bald steht eine Kontrolle an. Ich denke, dass sie danach wieder mehr toben darf! Liebe Grüße!