
Hardangervidda-Tour 2020 (28.8. – 6.9.2020)
Hardangervidda-Tour 2020 (28.8. – 6.9.2020)
Oslo – Finse – Krækkja – Rauhelleren – Lågaros – Mårbu – Kalhovd – Helberghytta – Rjukan – Oslo
Aus meinem Tagebuch:
28.08.2020:
Gerade habe ich den Zug in Oslo nach Bergen erwischt, der mich zum Ausgangspunkt meiner diesjährigen Tour bringen soll, Finse! Diesmal geht es also wieder quer durch die Hardangerdidda, diesmal von Nord nach Süd. Das Ziel ist Rjukan. Ganz in der Nähe von Rjukan, in einer Hütte auf Skinnarbu, habe ich 1994 meinen ersten Urlaub in Norwegen verbracht und seither Fan dieser Gegend.
Jetzt bin ich erleichtert, denn die letzten Tage waren sehr ereignisreich und stellten die Tour in Frage. Nachdem ich mich bereits am 23.12.2019 entschieden hatte, am 28.8.2020 meine nächste Tour durch die Vidda zu machen, buchte ich Hin- und Rückflug bei Norwegian. Zu diesem Zeitpunkt war Corona noch nicht wirklich ein Thema.
Dann, irgendwann, im Mai oder Juni, war es dann so weit und Norwegian cancelte die Flüge. Anfang August entschied ich mich dann, doch zu fliegen und beim 28.8.2020 zu bleiben. Ich bekam noch Flüge bei SAS.
Dann, am 25.8.2020, empfahl das norwegische Gesundheitsamt, Deutschland mit auf die rote Liste der Corona-Risikostaaten zu nehmen, mit der Folge, dass eine Einreise von Deutschland eine 10-tägige Quarantäne bedeutet hätte.
In dem Moment war also völlig unklar, ob ich würde fliegen können. Hinzu kam, das man coronabedingt alle Hütten, auf denen man übernachten wollte, über www.ut.no vorbuchen musste. Was aber, wenn ich nicht würde fliegen können? Wäre das Geld dann weg?
Ich telefonierte mit Michael Rapp vom GNN (www.germannorwegian.net). Er wohnt in Oslo und bestätigte mir, dass die Regierung in der Regel der Empfehlung des Gesungheitsamtes folgt und Deutschland auf die rote Liste kommen werde. Eine Quarantänepflicht greife jedoch idR erst bei einer Einreise in der Nacht auf Samstag, also ab dem 29.8.2020, 0:00 Uhr. Ich könnte also noch durchflutschen, offiziel sei dies aber noch nicht!
Nach Rücksprache mit Melanie entschied ich mich, das Risiko einzugehen und buchte am Mittwoch Abend, 26.8.2020, alle Hütten auf meiner geplanten Route.
Trotzdem war ich heute auf der Fahrt zum Flughafen in Düsseldorf etwas angespannt, schließlich hatte ich zwischen der Landung in Oslo und der Abfahrt der Bergenbahn nur ein Zeitfenster von knapp 2 Stunden. Und richtig sicher, ob ich nicht doch in Quarantäne muss, war ich mir immer noch nicht.
Es kam, wie es kommen musste, der Abflug verzögerte sich um 30 Minuten, 15 Minuten holten wir jedoch wieder auf. Als ich zum Gepäckband kam, rollte dieses gerade an und als zweites Gepäckstück kam direkt mein Rucksack angerollt. Juhu! Ab zum www.flytoget.no und um 14:40 Uhr war ich schon in Oslo am Hauotbahnhof. Keine Kontrollen, nichts! Alle Aufregung umsonst!
Weil noch Zeit blieb, lief ich etwas durch die Stadt. Eine Maskenpflicht gibt es hier zu diesem Zeitpunkt zum Glück nicht. Wie immer kaufe ich mir einen Pølser und gehe langsam zurück in Richtung Bahnhof. Um 19:57 Uhr soll ich in Finse ankommen.
Ab und zu frage ich mich, ob ich mir einen solchen Solo-Trip überhaupt leisten kann, insbesondere wegen Melanie und der Kinder. Wir sind zwar nach unserem Umzug gut in Köln-Widdersdorf angekommen, aber so richtig entspannt ist die Situation noch nicht. Als mich aber vor einer Woche die Nachricht erreichte, dass ein Abiturkollege aus Kevelaer plötzlich verstorben ist, bin ich mir wieder sicher, dass man nichts auf die lange Bank schieben sollte. Auf der Fahrt nach Düsseldorf kamen wir an einem Hochhaus vorbei, an dessen Fassade in großen Lettern stand:
könnte
müsste
sollte
MACHEN
Ich kömme auch pünklich in Finse an und finde in der Hütte Brebua, welche derzeit als Ersatz dient für die Finsehytte (www.finsehytta.dnt.no), welche saniert wird, mein Zimmer. Der Aufenthaltsraum ist voll mit Fahrradfahrern, die auf dem Rallarvegen unterwegs sind. Ich mache ein paar Photos und gehe früh ins Bett.
29.08.2020:
Wenn ich heute nicht in Finse wäre, wäre ich in Berlin auf der Corona-Demo von Querdenken. Nicht weil ich Corona leugnen würde, sondern weil ich die beschlossenen Maßnahmen von Anfang an für wirkungslos und unverhältnismäßig erachte. Aber das ist ein anderes Thema. Um 6:30 Uhr geht der Wecker. Ich packe meine Sachen und um 7:20 Uhr geht es los.
Ich kann kaum 100m am Stück gehen, ohne dass ich immer wieder meine Handy raushole, um Photos zu machen. Noch habe ich Empfang und schicke sie per Whats´App in die Familiengruppe und den Status. Schon bekomme ich Rückmeldungen. Alle wünschen mir eine schöne Zeit.
Bald schon überhole ich eine Gruppe Norweger, die in der Nähe gezeltet haben. Bald überholen sie mich und verschwinden, vermutlich in Richtung Kjeldebu.
Das Wetter ist gut, leicht bedeckt, ca. 10 Grad.
Da ich keine Zeit hatte, zu überlegen, was wirklich alles mit muss, habe ich auf die Schnelle natürlich wieder zu viel eingepackt. Der Rucksack wiegt so um die 20kg, was natürlich etwas zu viel ist. Aber was nicht umbringt, härtet ab!
Ununterbrochen muss ich Photos von der wunderbaren Landschaft machen, komme aber gut voran. Das ist der Vorteil, wenn man von Finse aus startet. Man muss nicht erst wie im letzten Jahr am ersten Tag 1.000 Höhenmeter überwinden, um die Hochebene zu erreichen. Man startet bekanntermaßen bei 1222 moh!
Trotzdem geht es hoch und runter und die übliche Stelle an der Ferseninnenseite meldet sich. Ich packe direkt ein Pflaster drauf und gut ist.
Weil ich meinem Körper in den letzten Wochen zu viel Ungesundes zugemutet habe, merke ich, dass ich schon mal fitter war. Ein junges Pärchen zieht plötzlich vorbei und läst mich stehen, als sei ich angewurzelt. So ist das, wenn man auf die 50 zugeht.
Immer wieder muss ich etwas verschnaufen, was aber kein Problem ist, weil die Sonne sich immer wieder blicken lässt und ich gut Zeit habe. Auf dem nächsten großen Stein lege ich mich erst einmal hin und verschnaufe.
Die Strecke zieht sich unglaublich und ich riskiere mal einen Blick auf mein Kartenwerk. Natürlich bin ich längst nicht so weit, wie ich gedacht hatte. In dem Moment kommt mir ein norwegischer Geländeläufer mit leichtem Gepäck entgegen und sagt mir, es seien noch 10 Meilen. Ich will es nicht recht glauben, erzähle ihm, dass ich den letzten Flieger von Deutschland vor der Quaratänepflicht erhalten habe und nach Rjukan laufe. Er freut sich und wünscht mir eine tolle Woche.
Er sollte Recht behalten. Die Sonne kommt raus und macht den Weg noch schöner, weil sich die Schneefelder im See spiegeln.
Meine Patellasehne schmerzt, und nicht nur die. Aber Wandern ohne Wehwehchen geht nun einmal nicht. Da muss man durch. Langsam werde ich ungeduldig, als ich fast 9 Stunden unterwegs und von der Hütte Kraekkja noch nichts zu sehen ist.
Dann endlich, nach einer Kuppe, hinter der das Gelände steil abfällt, liegt sie endlich da.
Im Vorraum des Haupthauses puste ich erst einmal durch, bevor ich mich stinkend an die Theke wage, als dort keiner ist. Der Hüttenwirt ist sehr nett, weist mir mein Bett im gebuchten Schlafsaal zu und verspricht mir, einmal bei der Fähre Halnekongen anzurufen, ob morgen um 13 Uhr wirklich das letzte Boot der Saison ausläuft. Ich habe nämlich geplant, das Boot über den Fjord zu nehmen, um die Hütte Rauhelleren zu erreichen, die ich auch vorbuchen musste. Würde das Boot nicht fahren, würde meine Reiseplanung zusammenbrechen.
Ich gehe heiß duschen, beziehe mein Bett, kaufe ein Bier und gehe in das Kaminzimmer. Ich lege mich erst einmal lang auf eine Bank. Die Pärchen, die mich überholt hatten, kommen auch, ebenfalls bewaffnet mit Dosenbier.
Ich fange an, diese Zeilen zu schreiben, als der Hüttenwirt kommt und mit bestätigt, dass das Boot morgen um 13 Uhr fährt. Mein Tag ist endgültig gerettet. Gleich gibt es Essen. Draußen scheint die Sonne und ich gönne mir noch ein ute-øl.
Im Speisesaal müssen natürlich auch Corona-Abstände eingehalten werden. Ich sitze mit einem Pärchen an einem Tisch, sie an dem einen Ende, ich am anderen Ende. So kommt natürlich kein Gespräch zustande.
Leider gibt es Lachs. Ich mag Lachs nicht besonders, war aber ok und satt bin ich auch geworden.
Morgen kann ich lange schlafen. Ich muss um 13 Uhr das Boot erreichen. Bis dort werde ich aber max. 2 Stunden brauchen. Vielmehr muss ich mich erst nach der Bootsfahrt sputen, um nach Rauhelleren zu kommen, wo ich letztes Jahr auf meiner Tour von West nach Ost auch schon übernachtet hatte.
Langsam füllt sich das Kaminzimmer mit denen, die wie ich um 18:30 Uhr zu Abend gegessen haben. Um 20 Uhr sind die nächsten dran. Alle haben eine Dose Bier vor sich. Ich hole mir auch noch eine Dose. Der Wechselkurs steht mit 10:1 sehr günstig.
Ich drehe noch eine Runde ums Haus und gehe dann in mein Bett.
30.08.2020:
21:30 Uhr lag ich im Bett. Zunächst alleine im Sovesaal. Später kamen aber noch zwei Mütter mit ihren Söhnen, die eigentlich zelten wollten. Sie störten nicht, weil ich schnell einschlief. Irgendwann wurde ich aber wach, weil mich unglaubliche Kopfschmerzen quälten, wie ich sie bisher nicht kannte. Stundenlang rollte ich mich hin und her, bis endlich der Wecker klingelte. Kaum hatte ich ihn ausgestellt, schlief ich ein. Um 7:30 Uhr wurde ich wach. Schnell ging ich mich waschen, nahm ein Diclo-Zäpfchen gegen die Schmerzen und ging frühstücken.
Nach einem sehr guten Frühstück ging es mir bald besser und ich machte mich startklar, in dem Wissen, dass das Halneboot bereit stehen wird. Um 9:30 Uhr gehe ich los. Die ca. 6 km bis Halne führen durch eine wunderschöne Landschaft mit Blick zurück auf den Hardangerjokulen.
Blick zurück. Meine Beine fühlen sich jetzt gut an. Sie haben verstanden, dass jetzt wieder Wanderwoche angesagt ist.
Ich komme an eine Abzweigung, an der die Schilder auf dem Boden liegen. Ich muss also die Karte zur Hand nehmen und bin mir bald sicher, dass ich dem Weg nach links folgen muss. Schon gegen 11 Uhr erreiche ich Halne. Das Boot liegt auch schon da. Ich habe also zwei Stunden zum verschnaufen.
Ich ziehe mir trockene Sachen an und setze mich in die Sonne. Als ich einmal hochschaue zur Hauptstraße, sehe ich eine lange Autoschlange. Ein paar Schafe werden über die Straße getrieben. welche hier Vorfahrt haben Sie verursachen einen kilometerlangen Stau.
Dann geht es los mit dem Halnekongen (www.halne.no). Neben mir fährt noch ein Pärchen mit. Zudem ein Bekannter des Kapitäns, der angeln möchte. Mit ihm unterhalte ich mich nett.
Nach 40 Minuten haben wir die 11 km über den See hinter uns und es liegen 13 km bis Rauhelleren vor mir. Die Sonne scheint.
Das Pärchen lässt es ruhig angehen und kocht sich erst einmal einen Kaffee. Ich hingegen laufe los. Der Blick zurück auf den See und den Hardangerjokulen ist atemberaubend schön.
Meine Beine tragen mich problemlos in Richtung Rauhelleren.
Trotzdem brauche ich etwas mehr als 3 Stunden für die 13 km und komme um 17 Uhr in Rauhelleren (www.rauhelleren.dnt.no) an. Ich melde mich an und trinke ein Bier in der Sonne.
Danach gehe ich duschen und trinke noch ein Bier in der Sonne.
Gegen 18 Uhr trudelt das Pärchen von der Fähre ein. Vor dem Essen unterhalte ich mich sehr nett mit ihnen im Kaminzimmer. Sie ist Norwegerin, er Schotte. Ein älteres norwegisches Pärchen kommt hinzu und ich habe endlich die Chance, norwegisch zu sprechen. Ich merke, ich habe nicht allzu viel vergessen.
Als ich letztes Jahr hier in Rauhelleren war, waren Sommerferien. Viele Kinder waren auf der Hütte, welche die kleine Hüttensau vor sich her trieben, erinnere ich mich. Es ist üblich vor dem „middag“, dem Abendessen, dass die Chefin des Hauses den Gästen vor dem Essen mitteilt, was es zu essen gibt. Nach einer Pilzsuppe sollte es als Hauptgang eine alte Bekannte geben, nämlich die Sau aus dem Vorjahr. Sie schmeckte sehr gut. Lokales essen halt.
Das rötliche Licht, welches die Sonne hier kurz vor ihrem Untergang ins Fjell schickt, ist hier speziell. Man kann den Blick kaum abwenden und schaut unentwegt nach draußen.
31.08.2020:
Frühstück gibt es erst um 8 Uhr. Um 9 Uhr laufe ich los. Die ersten Meter sind mir aus dem letzten Jahr bekannt, bis es rechts abgeht über ein Brücke in Richtung Mårbu / Lågaros. Der Blick zurück ist wunderschön bei diesem blauen Himmel. Man sieht den Hardangerjokulen sowie in der Ferne auch noch den Hårteigen.
Das Gelände ist flach und gut zu laufen. Nach der nächsten Brücke zweigt der Weg nach Lågaros ab. Der Abstecher nach Lågaros lohnt sich sehr. Man kommt tief ins Herzen der Hardangervidda hinein und hat die Chance Rentiere zu sehen.
Mir fallen aber auch die Geländewagen mit Zelt auf, die ich kurz vor Lågaros sehe. Es ist Jagdsaison. Hatte ich bis hierhin keine Menschenseele getroffen. läuft mit jetzt ein Jäger nach dem anderen über den Weg. Der erste hat ein Gewehr bei sich, wie ich es sonst nur von James Bond kenne, wenn dieser aus 8 km Entfernung vom Hochhaus jemandem zwischen die Augen schießen muss. Er bestätigt mir, dass ich vorsichtig sein soll, es sei ein großer flokk Rentiere in der Nähe.
Und schon sehe ich kurze Zeit später ein einzelnes Rentier. Kurz dahinter wieder ein Jäger. Morgen werde ich besser nicht allzu früh in der Dämmerung losgehen, denke ich mir.
Endlich erreiche ich die Lågaros-Hytte, mit tollem Blick auf den Hardangerjokulen. Frisches Wasser am See brauche ich nicht zu holen, es steht schon bereit. So schaue ich mich in der Speisekammer um und mache schon einmal den Kamin an.
Es ist 16 Uhr. Die nächsten zwei Stunden genieße ich die Sonne und die Ruhe. Heut werde ich wohl der einzige Gast auf der Hütte bleiben.
Ich mache mir eine Suppe warm und esse. Nach dem Abspülen bringe ich das Schmutzwasser nach draußen an die dafür vorgesehene Stelle. Als ich vor die Tür trete, merke ich zunächst nichts. Ich schütte das Wasser aus, drehe mich um und schau direkt ca. 200m vor mir auf eine riesige Herde Rentiere, ca. 300 Tiere. Ich gehe leise zurück ins Haus und hole mein Handy und das Fernrohr. Das ich das mal live erleben darf, ist wunderbar. Als die Rentiere hinter einer Kuppe verschwinden, gehe ich ihnen kurz darauf nach und sehe die Herde unten durchs Tal ziehen. Der Abstecher nach Lågaros hat sich also gelohnt.
01.09.2020:
Tatsächlich blieb ich alleine auf der Hütte. Schon seltsam, so ohne Unterhaltung. Ich denke an Simon, wie viele Abende er wohl alleine mit sich war auf seiner Norge på langs Tour. Diese Abende sind sicher eine größere Herausforderung, als 3.000 km zu laufen. Ab und zu habe ich Handy-Empfang und versende ein paar Bilder. Den Ofen im Flur halte ich am laufen, um meine Sachen zu trocknen und um mein Schlafzimmer warm zu halten. Im Wohnzimmer ist es warm genug, weil die untergehende Sonne direkt hineinscheint.
Als ich kurz vor dem zu Bett gehen um 21:30 Uhr nochmal aus dem Fenster schaue, steht die Herde Rentiere wieder vor der Hütte. Diesmal schnappe ich mir das Fernrohr und schaue dem Treiben zu, bis die Tiere wieder hinter der nächsten Anhöhe verschwinden.
Die Nacht war wunderbar ruhig. Ich fühle mich ausgeschlafen und erledige, was man so machen muss, bevor man die Hütte wieder verlässt. Aufräumen, abwaschen, frisches Wasser holen etc..
Dann schließe ich die Hütte ab und um 7:45 Uhr bin ich unterwegs nach Mårbu. Ich weiß, es wird eine lange und anstrengende Tour, aber die Morgenstimmung lässt mich quasi dahinschweben.
Nach 2-3 Stunden will mein Kopf Pause machen, meine Beine aber nicht. Ich laufe und laufe und laufe. Nach 4 Stunden ohne Pause meine ich aber doch, mal einen Blick auf die Karte werfen zu müssen und halte an. Der Blick auf die Karte verwirrt mich. Ich sehe am Ende eines Sees eine Hütte, was dazu führt, dass ich die Karte falsch lese. Ich bin etwas verunsichert und laufe deshalb bald weiter, um Zeit zu sparen, sollte ich mich tatsächlich verlaufen haben.
Das Tal, welches ich jetzt schon einige Zeit durchstreife, nimmt kein Ende. Endlich sehe ich eine Brücke in der Ferne, von der ich sicher bin, dass sie zu meiner Route passt. Zwar bin ich immer noch auf einem mit „T“ bezeichneten Weg. Das letzte Schild mit der Aufschrift „Mårbu“ stand jedoch unmittelbar vor der letzten Hütte Lågaros, wo ich heute startete. Als ich die Brücke erreiche und wieder sicher sein kann, dass ich richtig bin, lege ich mich in der Nähe eines Flußes ins Gras, lausche dem Rauschen des Wassers und mache eine längere Pause.
Mårbu ist schon in Sichtweite, aber wie immer, wenn man das Ziel schon vor Augen hat, nimmt der Weg Biegungen und Windungen, so dass man meint, nicht wirklich näher zu kommen.
Endlich erreiche ich die Hütte um 15:15 Uhr und treffe das schottisch / norwegische Pärchen, welches ich auf der Hütte Rauhelleren getroffen hatte. Sie erzählen mir, dass sie heute etwas lauffaul gewesen seien. Stattdessen hätten sie in dem nahe gelegenen Fjellstue am Strand gefrühstückt und nehmen jetzt um 15:45 Uhr das Boot in Richtung Kalhovd, so dass sie dann nur noch rd. 8 km vor sich haben werden. Ich mache sie mit meinen Photos von den Rentieren etwas neidisch und wünsche Ihnen eine gute Tour.
Nach einem Bier gehe ich erst einmal duschen. Als ich wieder raus gehe, sitzt dort eine ältere Dame, mit der ich ins Gespräch komme. Sie ist nicht alleine. Eine Frau in ungefähr meinem Alter gehört zu ihr, vielleicht ihre Tochter. Dann kommen noch zwei Herren hinzu, welche die gleiche Tour hinter und vor sich haben, wie die Damen. Sie kennen sich also schon und es wird schnell lustig. Wir sitzen alle in der Sonne, trinken Bier und quatschen. Der Typ neben mir ist zum ersten mal in der Hardangervidda und alleine mit dem Zelt unterwegs. Er unterhält sich gerne mit mir und über meine Fehler, die ich auf meiner ersten Tour gemacht habe. Auch er hat viel zu viel Gepäck dabei, fast 30 kg! Wir lachen uns schlapp!
Der andere Typ sitzt schließlich beim „middag“ mit mir am Tisch. Er kommt ursprünglich aus Australien und ist der Liebe wegen 2008 nach Norwegen gekommen. Weil er kein Muttersprachler ist, spricht er langsam und deutlich, so dass wir uns prima über alles mögliche unterhalten können.
Ein wirklich toller Tag. Ich sitze im Aufenthaltsraum und trinke noch ein Bier, als ich diese Zeilen schreibe.
Norweger auf der Suche nach Empfang!
02.09.2020:
Ich habe sehr gut geschlafen und wache kurz vor dem Wecker um 7 Uhr auf. Um 8 Uhr gibt es das bisher beste Frühstück. Tolle Auswahl!
Aus dem Fenster sehe ich, wie der eine Typ, Carsten, der mit dem schweren Rucksack, um 8:30 Uhr losstapft. Ich gehe um 9 Uhr los, zusammen mit den beiden Damen, welche ich aber bald zurücklasse und mein etwas schnelleres Tempo gehe.
Der Weg entlang des Sees ist etwas langweilig. Die Sonne scheint , aber es ist sehr windig. Dann geht es etwas bergauf und ich überhole Carsten.
Eigentlich müsste ich mal Pause machen, aber es ist aufgrund des Windes zu kalt dafür. So laufe ich weiter, ca. 3 1/2 Stunden, bis ich nach dem Erreichen eines Bergkamms eine windstille sonnige Stelle finde. Ich wärme mich mit meinem Tee auf. Nach ca. 30 min. kommt Carsten. Er bleibt mit seinem schweren Rucksack lieber auf den Beinen, weil er nicht sicher ist, ob er nochmal hoch kommt, wenn er sich nun setzen würde, sagt er. So geht er wieder voraus.
Ich bleibe noch ca. 20 min. sitzen, bevor es auch für mich weiter geht. Es dauert nicht lange, bis ich Carsten, der unter der Last seines Rucksacks zusammen zu brechen scheint, wieder eingeholt habe. Dann öffnet sich das nächste Panorama mit Blick auf den Stausee, an welchem die Hütte Kalhovd liegt. Um 14:30 Uhr erreiche ich Kalhovd.
Ich hole den Schlüssel zu meinem Zimmer und setze mich als erstes auf die Terrasse und trinke ein Bier.
Als ich reingehe, um duschen zu gehen, sitzt dort Carsten, völlig erschöpft. Für ihn ist die Tour hier zu Ende. Er hatte seine Tour hier gestartet und hat sein Auto hier stehen, um zurück nach Drammen zu fahren. Er sagt aber, dass er noch etwas bleibt auf ein Bier, bis ich geduscht habe.
Als ich zurück komme, sitzt er draußen in der Sonne mit den beiden Damen, die inzwischen auch angekommen sind. Wir unterhalten uns prächtig. Ich bin richtig glücklich, in dieser Runde dabei sein zu können. Schließlich muss Carsten uns verlassen.
Kurz darauf kommt der Australier und vervollständig die 4er Runde wieder. Auch er ist super nett. Ich sitze kurz darauf wieder beim „middag“ mit ihm an einem Tisch. Mein Norwegisch ist nach ein paar Bier noch besser geworden und ich ernte viel Lob von ihm, dass ich trotz so wenig Übung so gut spreche.
Auch das war ein Tag, der sich gerne wiederholen kann. Morgen ziehen wir weiter zur Helberghytta, natürlich jeder für sich. Aber wir werden uns wieder treffen, diesmal auf einer nicht bedienten Hütte. Mal schauen, wie das wird.
Der Australier gibt mir wegen Corona noch den Tip, das Busticket für Samstag von Rjukan nach Oslo im Voraus online zu buchen, was ich auch mache.
03.09.2020:
Um 22 Uhr war ich im Bett und habe gut geschlafen. Das Frühstück war gut, wenn auch nicht so umfangreich wie in Mårbu.
Um 8:30 Uhr gehen die beiden Damen los, ich um 9 Uhr. Der Australier startet kurz nach mir. Noch ist das Wetter gut, aber für den Nachmittag ist Regen gemeldet. Nach etwas über zwei Stunden hole ich die Damen ein, die gerade Pause machen. Ich will keine Pause machen, weil es zu windig und zu kalt ist. Auch der Himmel zieht sich langsam zu.
So geht es weiter ohne Pause. Meinen Beinen geht es super, aber die Füße schmerzen ein wenig. Eine Gruppe junger Norweger, wohl eine Schulklasse, sitzt im Fjell und will zelten. Das ist heute wettermäßig aber eher ein schlechter Tag zum Zelten. Weil das Wetter sich nicht bessert entscheide ich mich auch, ohne Pause bis zum Ziel durchzulaufen. Der Wind nimmt zu und ist kalt. Ich laufe konsequent meinen Rhythmus, mit dem ich 4 km in der Stunde schaffe. So müsste ich gegen 14 Uhr die Helberghytta erreichen. Gegen 13:15 Uhr fängt es heftiger an zu regnen, so dass ich dann doch noch meine Regenjacke raushole.
Langsam sehne ich die Hütte herbei und tatsächlich taucht sie dann auch hinter einer Kuppe auf. Als ich sie erreiche, ist sie verschlossen. Ich schließe auf und wähle mir ein Zimmer aus. Es ist eine kleine Hütte mit nur 14 Betten. Es gibt aber noch einen Annex mit einer kleinen Küche und weiteren Betten.
Ich werfe den Ofen an und hole Wasser im Fluß und koche es auf. Erst jetzt esse ich mein matpakke und meine Schokolade. Ich warte auf die anderen. Eine Stunde später kommen die Damen an, welche sich freuen, dass die Hütte schon gemütlich warm ist. Wir quatschen und trinken Tee, bis auch der Australier kurz vor 16 Uhr ankommt.
Alle vertreiben sich die Zeit, mit lesen etc. Wegen des schlechten Wetters gibt es schon den ganzen Tag keinen Handy-Empfang. So gegen 18 Uhr macht sich jeder sein „middag“ und wir essen alle zusammen. Dann übernehmen die Damen freundlicher Weise den Abwasch. Alle gehen nochmal raus und suchen Empfang, um eine Nachricht abzusetzen.
Ich mache Musik an, der Australier legt sich Karten und die Damen lesen, sehr gemütlich!
Dann wird wieder erzählt. Jeder offenbart, was er so beruflich macht. Ich werde nochmal für Wortschatz und Grammatik gelobt.
04.09.2020:
Die Damen sind als erstes wach. Sie wollen früh los, weil sie den Bus in Rjukan um 15 Uhr erwischen wollen.
Ich stehe so gegen 7:30 Uhr auf, weil ich zum Plumpsklo muss. Die Sonne scheint wunderbar und ein Regenbogen hat sich gebildet. Ich hole schnell mein Handy, um Photos zu machen.
Dann kündigt sich jedoch noch einmal ein Regenschauer an und die Damen verschieben ihren Start auf 9 Uhr. Alle bedanken sich für das nette miteinander und sie gehen los.
Pat, so heißt der Australier, und ich lassen uns noch etwas Zeit. Gegen 9:30 Uhr breche ich als erstes auf. Pat meint, wir könnten uns in Rjukan auf ein Bier treffen. Ich bin einverstanden.
Die letzten Kilometer von der Helberghytta nach Rjukan sind phantastisch. Man kommt an ein paar Seen mit karibischen Stränden vorbei. Ich gehe hinunter zum Strand und laufe mit meinen Wanderstiefeln am Strand entlang, bevor ich mich kurz in den Sand lege und die Gegend genieße.
Irgendwann muss ich aber weiter. Am Ende des Sees muss man sich entscheiden, ob man links oder rechts geht. Ich entscheide mich anders als die anderen für die linke Variante, auch wenn dieser Weg nicht mit einem „T“ markiert ist. Der Weg führt erst etwas bergauf, immer aber mit Blick auf den nun immer größer werdenden Gaustatoppen.
Die Anzahl der Hütten rund um die Seen nimmt zu; es geht in Richtung Zivilisation. Auch immer mehr Fahrradfahrer sind hier unterwegs, welche sich schon früh morgens mit der Krossobahn hierhin haben hoch bringen lassen. Auch ich folge jetzt dem „Fahrradweg“ Nr. 30 in Richtung Krossobahn. Diese hat ein neues tolles Café mit toller Aussichtsterrasse bekommen. Ich setze mich in die Sonne und trockne meine verschwitzten Klamotten. Ich gönne mir ein Bier mit Blick auf den gegenüberliegenden Gaustatoppen.
Plötzlich steht Pat an meinem Tisch. Er möchte, weil er Blasen an den Füßen hat, gerne die Bahn nach unten nehmen und dort noch ein paar Bier mit mir trinken. Ich willige natürlich ein. Von der Bahnstation im Tal bis Rjukan „City“ sind es noch etwa 3 km zu laufen.
Dort angekommen holen wir uns im KIWI ein Baguette und setzen uns in den Park. Dann gehe ich zu meiner heutigen Unterkunft „Rjukan Gjestegård“ und nehme eine Dusche. Wir verabreden uns für 15 Uhr vor dem Kino.
Nach der Dusche mache ich noch einen Rundgang durch Rjukan und treffe die beiden Damen am Markt vor der Turistinfo, wo sie auf den Bus warten.
Dann gehe ich zu Pat. Wir trinken Bier und unterhalten uns. Er wird gegen 17:30 Uhr von seiner Frau und den Kindern abgeholt. Sie wollen zu ihrer Hütte, welche hinter dem Gaustatoppen liegt. Der Glückliche. Seine Frau wird sich aber wegen eines Staus bei Oslo verspäten, weshalb Pat die Anweisung erhält, schon einmal die Einkäufe fürs Wochenende zu erledigen. Als er zum Kino zurück kommt, kommen auch seine Frau und die Kinder und wir essen alle zusammen „middag“ im Kinorestaurant.
Pat und ich tauschen schließlich unsere Telefonnummern aus. Die Verabschiedung ist jetzt schon fast freundschaftlich. Auch für Pat war die Tour sehr inspirierend. Er will wieder in die Vidda und ich soll mich melden.
Ich gehe noch in einen Pub neben dem Kino und trinke ein letztes Bier. Dann geht´s ins Bett. Ich telefoniere noch mit Melanie und stimme mich mit Volker und Michael vom GNN ab, wann und wo wir uns morgen in Oslo treffen.
05.09.2020:
Ich bin viel zu früh an der Bushaltestelle und warte deshalb auf dem Marktplatz in der Sonne.
Als der Bus nicht kommt und schon 5 Minuten Verspätung hat, werde ich doch etwas nervös. Dann kommt er aber und ich bin erleichtert und kann die Busfahrt nach Oslo genießen. In Oslo kenne ich mich aus wie in meiner Westentasche. Die Abläufe sind einstudiert. Ich gehe zum Cochs, wo ich immer absteige.
Ich setze mich schließlich vor den Hauptbahnhof und warte auf Michael und Volker. Volker bringt Stefan Marx mit, der wie ich gebürtig aus Wesel stammt, aber schon seit vielen Jahren in Oslo wohnt. Er ist erst vor wenigen Tagen Geschäftsführer der Holmenkollenfestspiele geworden und entsprechend gut gelaunt. Wir trinken so einige Bier und haben eine tollen Abend.
06.09.2020:
Abflug von Oslo nach Düsseldorf!